Impuls für den Monat September: Kleinster gemeinsamer Nenner

Die Botschaft Jesu im Gepäck…? (Foto von Priscilla Du Preez auf Unsplash)

Der kleinste gemeinsame Nenner…

Mit dem September beginnt für viele Menschen unserer Umgebung eine Zeit der Neuanfänge, des Neustarts. Nach der Hitze der Sommermonate beginnt für die Kinder und Jugendlichen wieder ein neues Schuljahr. In Betrieben und Unternehmen geht die Urlaubszeit zu Ende. Die Beschäftigten kehren zurück. Vielleicht gab es über die Sommermonate berufliche Veränderungen, Jobwechsel, neue Herausforderungen werden angegangen. Mit der Herbstzeit beginnt für viele die geschäftigste Zeit des Jahres. Große und wichtige Projekte werden angestoßen, neue Bekanntschaften und Netzwerke geknüpft, die Themen, Ziele und Termine des nächsten Jahres werden abgesteckt. Kurzum – mit neuer Energie soll und muss bis Weihnachten viel geschafft werden…

Der September bietet damit auch die Gelegenheit, einmal innezuhalten und sich zu besinnen: Kann ich mit der neu gewonnenen Kraft gut haushalten? Was motiviert mich und treibt mich an? Was sind die (gemeinsamen) Grundlage für alle neuen Überlegungen, Planungen und Projekte? Was ist der notwendige kleinste gemeinsame Nenner, damit es gut vorwärts gehen kann?

Eine Episode der großen Politik der letzten Wochen hat mich zu dieser Frage aufhorchen lassen: Die Ampelregierung rang bis zuletzt um die neue Form der Kindergrundsicherung. (Ein Kernprojekt der Ampelregierung und nur eine von vielen gewichtigen und zukunftsweisenden Fragen, die jetzt nach der Sommerpause zu einer Entscheidung und Bearbeitung drängen.) 12 Milliarden Euro sollten dem Projekt im nächsten Haushalt eingeräumt werden. 2,4 Milliarden sind es am Ende geworden. Selbst 12 Milliarden wären zu wenig, sagen Experten. Bemerkenswert dabei ist, dass die großen Werte wie Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Teilhabe und das konkrete und wohlbekannte Leiden der armen Bevölkerungsschichten in der Diskussion um Summen, wenn überhaupt, nur indirekt eine Rolle gespielt haben. Das vorgebrachte Kernargument lautete: Wenn jetzt nicht investiert wird, dann kostet die Kinderarmut und deren Folgeerscheinungen Deutschland weit über 100 Milliarden Euro pro Jahr. Dagegen seien die geforderten 12 Milliarden doch vergleichsweise gering…

Egal, wie man inhaltlich dazu steht: Bedeutet diese Argumentation, eine ökonomische Begründung bleibt als einzige übrig, um gegen Armut und Ausgrenzen in unserem wohlhabenden Land etwas zu tun – weil es eben ohne das neue Geld am Ende noch mehr kosten würde…? Das Geld, in Form von „Folgekosten“, scheint auch in anderen wichtigen gesellschaftlichen und nicht zuletzt ethischen Fragen momentan der einzige, kleinste gemeinsame Nenner zu sein, mit dem sich die Koalitionspartner unserer Regierung, aber auch die Menschen unserer Gesellschaft mit ihren pluralen Ansichten (noch) verständigen können.

Die biblischen Lesungen der Septembersonntage aus dem Matthäusevangelium sprechen eine andere Sprache. Hier lehrt Jesus seine Jünger über den Wert des Lebens und der Nachfolge (Mt 16,26: Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?), spricht über Vergebung und das Zusammenleben in der Gemeinschaft (Mt 18,20: Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Mt 18,21–22: Nicht bis zu siebenmal musst du vergeben, sondern bis zu siebzigmal siebenmal.), beschreibt in Gleichnissen über das Himmelreich, wie Menschen in den Augen Gottes gut zusammenleben und was Gerechtigkeit in den Augen Gottes bedeutet (Mt 20,16: So werden die Letzten Erste sein und die Ersten Letzte.)

Die Botschaft des Evangeliums, die Botschaft Jesu, ist herausfordernd. Aber sie kann Richtschnur sein für die neue Ausrichtung in der zweiten Jahreshälfte. Gerade Themen und Haltungen wie das eigene Leben (meine Energie und Zeit) für andere einzusetzen, aufrichtig aufeinander zu hören und dabei auch Zurechtweisung (Kritik und Feedback) annehmen zu können, gegen Neid und Aufrechnen die grenzenlose Vergebung und Großzügigkeit Gottes zu leben… Das sollen in den Augen Jesu kleinste gemeinsame Nenner unter seinen Jüngern sein.

Wie steht es in unserer Gemeinde darum? Welcher kleinste gemeinsame Nenner bestimmt die Diskussion um unsere Zukunft hier vor Ort? Der September und die Auswahl der biblischen Texte der Sonntage können uns erinnern, noch einmal neu darüber nachzudenken.

Vinzenz Hruschka