Impuls zur Fastenzeit: Über die Geduld in Wüstenzeiten

Worin üben Sie sich gerade in Geduld? Warten Sie sehnsüchtig auf den Frühling? Wohl wissend, dass am Ende des Winters die verheißene Erlösung vom Grau und von der Kälte wartet? Verzichten Sie geduldig im Wissen um das nahe Osterfest auf Süßes, Fernsehen oder Ihr Smartphone? Oder verlangt Ihnen das Leben gerade gar Geduld in existenziellen Lebensfragen ab, in Trennung, Krankheit oder im Sterben?

Wir Christen haben mit der Auferstehung Jesu eine ganz besondere Perspektive in diesen Wüstenzeiten. Im Wissen um das nahe Osterfest sind wir ermutigt zu Geduld im Verzicht, in ungelösten Fragen, auf schwierigen Etappen. Dabei kann uns die Geschichte von Jesus in der Wüste ermutigen: Er widersteht den Versuchungen und geht gestärkt mit Engeln an seiner Seite aus dieser Zeit hervor (Mt. 4, 1-11). Ganz ähnlich, wie es im Gedicht „Über die Geduld“ von Rainer Maria Rilke heißt, dürfen wir uns „als ob die Ewigkeit vor einem läge“ still und ohne Trübsal in diese Wüstenzeiten hineinbegeben:

Über die Geduld

Man muss den Dingen
die eigene, stille
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen – und
dann gebären…

Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.

Er kommt doch!
Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit
vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit…

Man muss Geduld haben
mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.

(Rainer Maria Rilke)

Im Evangelium vom Aschermittwoch hieß es: „Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler!“ (Mt. 6, 16). Und so dürfen wir unsere Wüstenzeit allmählich, still und geduldig mit der Ahnung der Auferstehung leben.

Silvia Funke